SCHREI AUF e.V.

Mutprobe

Datum,Ort: 26.10.2019

Projektleitung: Laura Heyer

Beteiligte Person/en (mit Rollen) : Leonie Dahmen, Anja Reinboth, Doro Frisch, Tim Koehler, Henry Skibbe

Kooperationspartner: Osiris Dajo & Sick Benoit, Rimmi, Meister Eder, Will Gill

Im Rahmen des Jour Fixe des Projekt „Vakanz“ öffneten die an dem Projekt beteiligten KünstlerInnen ihre Räume. In den Monaten vor dem angekündigten Termin zeigten wir bereits einige künstlerische Darbietungen und Aktionen aus unterschiedlichen Genres und Sparten, darunter Konzerte/Musik/Sound, Performances und Installationen. Für den nächsten Jour Fixe Termin überlegten wir uns, eine Veranstaltung zu konzipieren, die alle drei Formen vereint. Nach dem ersten gemeinsamen Brainstorming zur Findung eines Überthemas, kam die Idee auf, ein Konzept zum Thema „Mut“ zu entwickeln. Auch bei diesem Konzept sollte es darum gehen, wieder zu spiegeln, was intern innerhalb des Kollektivs geschieht: Wir konnten offiziell drei Monate lang mietfrei durch das Projekt „Vakanz“ Räume nutzen. Allmählich neigten sich diese drei Monate, wovon wir einen Monat lang renovierten, dem Ende zu.

Bereits in einer vorläufigen Eröffnung offenbarten wir, dass wir weiterhin in den Räumen bleiben möchten und bereit sind, dafür Einiges zu tun. Das Thema „Mut“ sollte genau daran anschließen. Wir wollten die Ästhetik der Hausbesetzer-Szene für die Ausarbeitung der Veranstaltung nutzen. Über diesen Weg kamen wir dann auch zum Namen der Veranstaltung und zu den ersten Programmideen: Mutprobe. Wir orientierten uns also daran, die Gäste verschiedenen Mutproben auszusetzen, die sie bewältigen können. Gleichzeitig sollten auch die Programmpunkte selbst „mutig“ sein d.h.  in gewisser Weise Grenzen austesten und im besten Fall überschreiten.

Zunächst überlegten wir im Kollektiv, wer von uns bereits Ideen hat und Programmpunkte übernehmen könnte. So sollten im ganzen Haus Barrieren aufgestellt werden, die die Gäste überwinden müssen. Aus versicherungstechnischen Gründen entschieden wir uns später allerdings dazu, diesen Programmpunkt wieder herauszunehmen. Stattdessen wurde in einem Raum in der zweiten Etage eine SchwarzLicht-Installation aufgebaut, in der man Wahl, Wahrheit oder Pflicht spielen konnte. An der Getränkeausgabe und Garderobe wurden Zettel herausgegeben, auf denen kleinere Mutproben festgehalten wurden wie z.B. „Klaue jemandem seinen Hut“ und ähnliche Dinge. Diese Anweisungen sollten dazu führen, dass der Abend dynamisch bleibt und sich die Gäste auch untereinander kennenlernen. Grundsätzlich war die Philosophie hinter der Veranstaltung auch, dass zwar eine gewisse Partystimmung aufkommen sollte, aber in jedem Fall nicht auf destruktive Art und Weise. Im Innenhof boten Anja Reimboth und Jens Lindackers „Minute Poesie an“, ein interaktives Spiel, bei dem immer zwei Menschen sich gegenübersitzen und nur ein paar Minuten Zeit haben, gemeinsam eine kleine Poesie zu entwickeln. Die Spieler dürfen aber immer nur drei Worte verwenden. Danach ist der andere Spieler an der Reihe. Anja Reimboth stellte außerdem Banner her, die wir an den Fenstern an der Außenfassade befestigten. Auf diesen Bannern war das Haus als lebendiges Wesen dargestellt, welches kundgab, wie es ihm geht z.B. „ Ich kann wieder atmen“.

Laura Heyer führte im Atelier eine Performance durch. Der Raum wurde vollständig abgedunkelt, eine abgeklebte Taste einer kleinen elektronischen Orgel sorgte für ein durchgängiges Pieps-Geräusch, der Boden wurde mit Malerfolie verdeckt und überall im Raum standen Farbeimer mit unterschiedlichen Wandfarben. Draußen vor der Tür wurden Gäste von einem Assistenten mit Schutzkleidung ausgerüstet und dann einzeln nacheinander in den Dunkelraum hineingelassen. Sie wurden dann von Laura Heyer in Empfang genommen und zu verschiedenen Farbeimern begleitet, in die ihre Hände geführt wurden. Die Künstlerin brachte dann die Gäste dazu, die Farbe im Raum hin und her zu werfen, sodass die Farbe an den Wänden abprallte und Abdrücke hinterließ. Die Gäste wussten allerdings nicht, dass es sich um Farbe handelt. Nach einer gewissen Zeit wurden die Gäste wieder hinaus begleitet. Nach ein paar Stunden wurde das Licht angeschaltet und das Ergebnis begutachtet: Die Wände und Decke des Raumes waren vollständig von Farbspritzern, Klecksen und Flecken bedeckt und ergaben zusammen eine wilde, aber dennoch ästhetische Musterung.

Der DJ Will Gill sorgte mit experimentellen Tracks aus den 80ern, 90ern und 200ern im Veranstaltungsraum für das richtige Feeling. Manche Gäste fingen deswegen schon nachmittags an zu tanzen und hörten womöglich erst gegen Mitternacht wieder auf.

Das Highlight der Veranstaltung war ein Konzert des Conscious Rap Duos Osiris Dajo & Sick Benoit. Die beiden Musiker kommen aus Mönchengladbach und vereinen in ihrer Musik, neben den klassischen HipHop-Elementen, die verschiedensten Genres. Sie machen Conscious Rap mit einer gewissen Battle-Attitüde und experimentellen Sounds. Das Duo auf der eigenen Bühne in eigenen Räumen stehen zu haben, war ein großer Wunsch und eine große Ehre für das Kollektiv. Die Musik des Duos begeistert das Kollektiv schon lange. Mit Texten mitten aus dem Herz, die Sorab Jon Asar in die Welt hinausbrüllt und experimentellen, mitreißenden Sounds und Beats von Sönke Schmidt entsprechen sie allen Kriterien, die man braucht, um für „mutig“ gehalten zu werden. Mutig war auch die selbstgebaute Musikanlage, die uns freundlicherweise von dem DJ Rimmi zur Verfügung gestellt wurde, welcher sie nach dem Konzert mit melodischen liquid Ambient Drum and Bass, treibenden Jungle Anthems, Sub geladenen Wellen aus der Soundsystem Culture, hypnotischen Footwork Patterns und allen anderen Ecken der elektronischen Musik in Wallung brachte- Lautstärke als Mutprobe. Wann beschweren sich die Nachbarn?

Die Nachbarn beschwerten sich nicht. Auch die Gäste, deren Schutzkleidung im Dunkel-Raum versagte, beschwerten sich nicht. Ganz im Gegenteil: Die ehemalige Erdgeschosswohnung im ehemaligen Wohnhaus auf der Waldhausener Straße 62 war bis in die Ecken gerappelt voll mit gut gelaunten, tanzenden Menschen. Besser hätte es nicht laufen können.

Es ist geplant, die „Mutprobe“ als Veranstaltungsreihe mit neuen Aktionen und Programmpunkten durchzuführen.

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