SCHREI AUF e.V.

Kabinett Identität

8. und 9.11.2019, Köntges


Verantwortliche Person/en
: Jonas Gladbach

Beteiligte Person/en (mit Rollen): Doro (kuschelt), Hanna (schminkt), Clemens (lässt ein und überwacht), Jonas (stempelt und koordiniert)

Mit dem Steppenwolf hat Hermann Hesse eine neue Perspektive auf die Persönlichkeit von Menschen ermöglicht. Die Person von Harry Haller gründet vermeintlich auf den Gegensatz zwischen bürgerlicher Menschlichkeit und wilder Wolfshaftigkeit, die miteinander ringen und sein Leben unerträglich machen – er ist begleitet von deinem ständigen Todeswunsch. Durch seine Bekanntschaft mit Hermine verändert er sich sehr, wird leichter, träumt und fängt an zu tanzen. Schließlich tritt er nach dem letzten Tanzall in sein eigenes Theater ein, indem ihm alle seine Seelenanteile begegnen und sein altes Selbstbild aufgebrochen wird.

Diese Revolution des Ichs und die Darstellung der Unergründlichkeit von dem, was wir Persönlichkeit, Charakter oder Identität nennen, wollte ich in Form einer performativen Ausstellung aufgreifen und vorantreiben.

In Zusammenarbeit haben wir Objekte und Installationen realisiert, die für BesucherInnen die Möglichkeit zu einem Prozess ermöglicht haben, bei denen sie einen Zugang zu sich selbst finden konnten. Nachdem die BesucherInnen eine Klanginstallation mit Anregungen durch Zitate aus dem Steppenwolf eingestimmt wurden, sind sie einzeln in eine Spiegelröhre geführt worden, in der ihr verzerrtes Selbst erfahrbar werden sollte. Dies war die Grundvoraussetzung um in das Kabinett einzutreten.

Im Kabinett war eine Vielzahl von Objekten und Drei PerformancekünstlerInnen. Auch das “stille Örtchen” (Toilette) war Herberge einer Installation.

Nachdem Clemens aus dem Klong-Kollektiv unserer Arbeitsgruppe beigetreten war, sind schnell Ideen zur Umsetzung der Teilaspekte des Kabinetts entstanden. Grundlage zur Umsetzung war eine Materialliste: Zu jedem Objekt wurden Ideen und Material aufgeführt.

Objekte, Installationen, Klang und schauspielerische Arbeit wurden zusammen erarbeitet und haben sich zu einem einheitlichen Bild im Kabinett zusammengesetzt.

Der Ablauf der Performance lief nach einem strengen Muster ab. Die BesucherInnen durften erst nach ihrer „Selbsterkenntnis“ in das Kabinett eintreten und wurden von mir (Jonas) in individuellen Schwerpunkten und Wegen durch das Kabinett geleitet. Clemens hat den Prozess vor der Tür überwacht, Doro hat sich auf kindliche Art und Weise mit Kuscheltieren beschäftigt, Hanna hat sich vor einem großen Schminkspiegel wieder und wieder selbst entworfen.

Ein Rahmen wurde von Bildern zum Thema Familie, Freunde, Haustiere überstrahlt. An einem Sekretär sollte auf einen Brief vom „Ich“ geantwortet werden. Eine leere Kiste war geheimnisvoll und verführerisch präsentiert. Eine Badewanne war aufrecht gestellt und mit Föhn und Suchtmitteln geschmückt. Ein Teil eines Kirchenaltars war mit Symbolen der Vergötterung behangen und in Bewegung gebracht. Ein Notenständer symbolisierte identitätsstiftende Musik. Schaufensterpuppen waren mit Operationsmarkierungen versehen.

In der Toilette war in klinischer Art und Weise Körperflüssigkeiten/Ausscheidungen/Produkte aufbewahrt – die BesucherInnen waren dazu aufgefordert selbst etwas da zu lassen. Dazu liefen Sprachaufnahmen mit Informationen zu Körperfunktionen und Zusammenhängen.

Der Ablauf wurde an einer Stelle durch das ausufernde Verhalten eines Besuchers gestört, der das Kabinett selbst bespielt hat und die Ruhe der Anderen genutzt hat um sich selbst eine Bühne zu schaffen und zu irritieren. Obwohl das auch als Reaktion und als sein Beitrag zum Kabinett verstanden werden soll, hat es andere BesucherInnen und PerformancekünstlerInnen verunsichert. Ein anderer Besucher hat ihn dann aus dem Kabinett geführt.

Die Art und Weise wie Menschen auf die Kulisse und die Zusammenhänge im Kabinett reagiert haben war sehr unterschiedlich. Einige waren verunsichert, gestört oder haben Anstoß gefunden. Einige haben die Objekte wie selbstverständlich als Gedankenanregungen verstanden und mit ihnen interagiert. Zwischen Überforderung und spielerischem, leichten Umgang war alles zu beobachten. Besonders angestrengt waren Gäste, die spontan aus der Waldhausenerstraße in das Kabinett eingetreten sind.

Die Resonanz war weitestgehend positiv, viele waren auch begeistert. Einige BesucherInnen haben kritisiert, dass sie beim Verstehen der Objekte und des Konzepts keine konkrete Hilfe bekommen haben. An diesem Punkt bleibt immer die Frage, wie viel man KonsumentInnen von Kunst vorgeben möchte – wie eindeutig die Möglichkeiten zum Verstehen sein sollen. Ich (Jonas) bin der Meinung, dass Unverständnis und Verwirrung auch ein Produkt und eine Reaktion (besonders) auf experimentelle Kunst ist und deswegen hatte ich mich auch entschieden auf Erklärungen und Namensgebungen zu den den Objekten zu verzichten. Die BesucherInnen sollten sich auf eigene Verantwortung selbst näher kommen, oder sich entfernen.

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